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Warum so viele Retrospektiven wirkungslos bleiben

Und wie man das ändern kann…

Wir haben über. 400 Agile Coaches ausgebildet. Ich sage unseren Teilnehmenden gerne, dass die Unternehmen nicht alle Scrum einführen müssen, die agilen Werte und Prinzipien aber jedem Unternehmen und jeder Abteilung gut stehen würden.

Wenn ein Bereich oder ein Unternehmen keinen Mehrwert in den agilen Strukturen sehen, sei’s drum.

Wenn aber jedes Team dieser Welt eine Retrospektive in regelmäßigen Abständen durchführen würde, hätten sie in Summe viel performantere Teams, weil (wie in diversen Studien bewiesen) die Basis für performante Teams ist, dass sie sich gut kennen und gut zusammenarbeiten.

Viele unserer Teilnehmer arbeiten schon in agilen Strukturen und berichteten immer wieder davon, dass die Retrospektiven überhaupt nichts gebracht haben. Es gibt dazu auch diverse Bücher, die ich auf Amazon gesehen, aber noch nicht gelesen habe.

Bei einer Befragung meines Assistenten Chat-GPT kam heraus, dass er mir nur bedingt helfen kann, weil es dazu einfach Erfahrungswissen braucht, das offensichtlich noch nicht ausreichend dokumentiert wurde.  

Die Frage, welche Gründe es geben kann für unwirksame Retrospektiven hat er allerdings gut beantwortet:

6 Gründe warum eine Retrospektive wirkungslos sein kann:

  1. Mangelnde Verpflichtung zur Veränderung: Eine Retrospektive kann nur effektiv sein, wenn das Team bereit ist, die identifizierten Verbesserungsmöglichkeiten tatsächlich umzusetzen. Wenn es an der Verpflichtung zur Veränderung mangelt, bleiben die Diskussionen und Ergebnisse der Retrospektive oft wirkungslos.
  2. Fehlende Offenheit und Vertrauen: Eine offene und ehrliche Kommunikation ist entscheidend für den Erfolg einer Retrospektive. Wenn das Team jedoch nicht das Vertrauen hat, sich frei zu äußern oder Bedenken zu äußern, bleiben wichtige Probleme möglicherweise ungelöst.
  3. Fehlende Struktur und Leitung: Eine Retrospektive erfordert eine klare Struktur und eine erfahrene Leitung, um sicherzustellen, dass alle Teilnehmer aktiv eingebunden sind und die Diskussionen auf den Punkt kommen. Fehlende Struktur oder eine unerfahrene Leitung können zu unproduktiven Diskussionen oder fehlenden Ergebnissen führen.
  4. Fehlende Diversität der Perspektiven: Wenn die Retrospektive nur von wenigen Personen oder bestimmten Hierarchieebenen dominiert wird, können wichtige Perspektiven und Einsichten fehlen. Eine Vielfalt an Meinungen und Blickwinkeln ist entscheidend für eine umfassende Bewertung der Zusammenarbeit und Identifizierung von Verbesserungsmöglichkeiten.
  5. Mangelnde Nachverfolgung und Verantwortlichkeit: Selbst, wenn während der Retrospektive Maßnahmen identifiziert werden, fehlt es manchmal an einer angemessenen Nachverfolgung und Verantwortlichkeit für die Umsetzung. Ohne diese Schritte können die Ergebnisse der Retrospektive leicht in Vergessenheit geraten oder vernachlässigt werden.
  6. Wiederholung von alten Mustern: Manchmal tendieren Teams dazu, in alten Mustern zu verharren und die gleichen Probleme immer wieder zu diskutieren, ohne tatsächliche Veränderungen herbeizuführen. Dies kann zu Frustration und einem Gefühl der Nutzlosigkeit von Retrospektiven führen.

Hier bekommt ihr Ideen und Anleitungen für eine gute Retrospektive:

Eine Moderation der Retros ist die eine Grundvoraussetzung!!! Ohne diese braucht Ihr gar nicht erst anfangen. Ohne oder mit schlechter Moderation gleitet diese sonst einfach in ein Statusmeeting ab, von dem niemand etwas hat, der schon dem Review beigewohnt hat.

Der Moderator ist in Scrum Teams der Scrum Master in anderen Teams, die nicht nach Scrum arbeiten empfehle ich einen Systemfremden Moderator. (Kann ja auch ein Kollege aus dem Nachbarbereich sein).

Warum am besten systemfremd? Das sichert eine Neutralität und den Mut unbequeme und freche Fragen zu stellen oder die Teammitglieder in ihrem Verhalten positiv herauszufordern.

Dieser Moderator / Moderatorin sollte mehrere Retrospektiven begleiten. Viele der von ChatGPT beschriebenen dysfunktionalen Muster sind erst mit Wiederholung und Üben abbaubar. Das heißt, dass hier ein moderativer langer Atem nötig ist. Und die Haltung und das Wissen darum, dass es meistens in kleinen Schritten voran geht und Veränderung seine Zeit braucht. Stück für Stück – unaufhaltsam kann man aber langsam ans Ziel kommen.

Offenheit und Vertrauen ist eben nichts, das man auf Knopfdruck einfordern kann. Hier braucht es positive Lernerfahrung und Lerngelegenheiten.

Gegen den Mangel an Struktur ist aber ein Kraut gewachsen und wenn jeder Moderator diese einfachen Prinzipien beachten würde, wäre schon einiges besser:

Die Retrospektive besteht aus 5 Phasen:

Phase 1 Check-in (Set the stage)

Diese Phase ist wichtig, damit die Mitarbeiter in diesem Thema ankommen können und sich aufeinander einstellen. Denkt dran: Meistens kommen die MA gerade aus einem anderen Termin oder aus einem anderen Thema und müssen sich erst mal auf das Fokussieren, was als nächstes geschehen soll.

Hier könnt ihr eine Stimmungsabfrage durchführen oder Check-in Fragen reihum beantworten. Alles, was hilft, um anzukommen und ein wenig miteinander in den Kontakt zu kommen. Hier gibt es einen Generator für verschiedene Fragen als Inspiration: Check-In Generator – Fragen für bessere Meetings & Workshops (checkin-generator.de)

Praxistipp: Wenn ihr Euch für eine Stimmungsabfrage entscheidet, fragt unbedingt rein. Wenn jemand eine Saulaune hat, kann es ein erster Indikator sein für das, was in der Retro zum Vorschein kommt, vielleicht hat er aber auch einfach Kopfschmerzen. Das ist wichtig zu wissen!

Phase 2 Themen sammeln (Gather data)

Hier werden die Stimmungen und Befindlichkeiten eingefangen in Bezug auf den letzten Sprint der Zusammenarbeit. (Nicht über das Ergebnis, sondern über die Zusammenarbeit!)

Hier wird beschrieben was gut lief und was nicht. Aus der subjektiven Brille eines jeden Einzelnen.

Praxistipp: Lasst die Teilnehmenden erst schreiben, aber lasst sie unbedingt ihre Punkte erläutern! Nicht immer ist die Karte selbsterklärend und kann unterschiedlich verstanden werden. Nicht nur kann dadurch ein besseres Verständnis geschaffen werden, sondern es dient auch dem „Auskotzen“.

Wenn der Praxistipp berücksichtigt wird, fühlt sich jeder schon mal ein bisschen gehört und konnte Dampf ablassen.

Hier achten wir darauf, dass noch keine Diskussion entsteht. Lediglich Verständnisfragen sind erlaubt.

Es geht darum, dass die Zuhörer ein Verständnis für die Realität des anderen aufbauen.

Phase 3 Erkenntnisse gewinnen (generate insights)

Hier geht es darum herauszufinden, woran es denn liegt, dass etwas nicht so gut läuft. Oder auch was die Wirkhebel für funktionierende Zusammenarbeit sind.  

Praxistipp: Wenn Ihr beispielsweise den Seestern als Retroformat nutzt, ist dies die Stelle an der „Wovon mehr – wovon weniger“ ausgefüllt wird. Es bringt nichts, wenn das Thema z.B. ist, dass die Hälfte zu spät kommt und dort dann steht: nicht mehr zu spät kommen. Das ist ein low-brainer und nicht hilfreich. Auch wenn es in diesem Moment noch nicht um die Lösung geht, sollte eher so etwas dort stehen, wie: „höhere Priorisierung unserer Retro bei jedem einzelnen“ stehen.

Geht es in Phase 2 noch eher um Zuhören und Verstehen der anderen Perspektive sollte hier ein gesteuerter Dialog stattfinden über die Gründe der dysfunktionalen Muster.

Unterschied Dialog und Diskussion: In der Diskussion verteidigen die Gesprächspartner ihren Standpunkt, es geht häufig ums Recht haben. In einem Dialog geht es darum, noch mehr zu Verstehen und um die innere Haltung die Perspektive des anderen ergründen zu wollen und gemeinsam eine Lösung zu finden.

Hier kann auch die Methode 5-times-why helfen. Einfach 5 Mal hintereinander das Thema hinterfragen.

Ein Beispiel für ein 5-times-why:

Wenn man in diesem Beispiel des 5-times-why auf die Frage eingegangen wäre, warum sie splitheads sind, würde man sich von dem Einflussbereich der Mitarbeitenden entfernen und am Schluss hilflos dastehen und sagen, „die Organisation ist halt Mist“.

Also ist es auch bei dieser Methode wichtig, die Dinge auf den beeinflussbaren Rahmen zu lenken.

Phase 4 Entscheidungen treffen (Decide what to do)

Hier wird gemeinsam entschieden, was man in der nächsten Iteration einmal ausprobieren möchte. Das Team sammelt mögliche Veränderungen und einigt sich auf die wichtigsten 1-2 Dinge, die anders, neu oder nicht mehr gemacht werden sollen.

Praxistipp: Unbedingt am Ende eine Comittment Abfrage machen. Wenn hier nur Punkte geklebt werden, aber 2 Mitarbeiter große Bedenken haben oder dagegen sind, wird euch diese demokratische Entscheidungsform nichts bringen. Bei der Comittment Abfrage kommen auch die zu Wort, die etwas anderes gewählt hätten und es besteht die Chance die Bedenken zu klären und mögliche Widerstände zu erkennen oder abzubauen.

Phase 5 Abschluss (Close the retrospective)

Es ist wichtig, die Retrospektive würdigend abzuschließen. Ihr habt eventuell Situationen gehabt, in denen ein Dissens ausgesprochen wurde, es gab vielleicht Reibungen.

Eine Feedback Kudo Runde (Kudo – Lob) kann zum Beispiel helfen, mit einem guten Gefühl aus dem Meeting zu gehen. Oder eine „Abfeier-Runde“, in der jeder einmal sagt, auf welche Leistung des Teams er/sie stolz ist etc.

Praxistipp: Eine gut gemachte Retrospektive braucht Zeit! Im Scrum guide ist sie mit 4 Stunden angesetzt. Das hat seinen Grund! Wenn ihr früher fertig seid, ist es ja prima, aber Dialog braucht Zeit und Raum. Und diese Zeit holt ihr hinterher 10-mal wieder rein, wenn sich ein gut funktionierendes Team bildet.

Grundsätzlich gilt, dass die Retro ein DIALOG Format ist!!! Ich weiß nicht, warum sie so oft zu einem Kärtchenklebe-Event verkommt. Es geht darum miteinander zu kommunizieren.

Moderatoren, die einen Mangel an Auseinandersetzungsfähigkeit haben und diese nicht gelernt haben zu regulieren, neigen dazu ,schnell über potentiell konfliktäre Situationen hinweg zu moderieren. Auf diese Weise kann es aber nicht zu einer Klärung und in der Folge auch nicht zu einer guten Zusammenarbeit kommen.  

5  Dinge die man als Moderator in einer Retro auf keinen Fall machen sollte:

  1. Die Beteiligten nur alles auf einmal aufschreiben lassen, ohne Dialog dazwischen.
  2. Die Karten der anderen vorlesen.
  3. Die Inhalte bewertend nennen – Partei beziehen.
  4. Einzelne Loben, andere nicht.
  5. Konfliktäre Aussagen weg moderieren / ignorieren.

Ein guter Moderator in einer Retrospektive zeichnet sich durch verschiedene Fähigkeiten und Eigenschaften aus. Hier sind einige wichtige Merkmale:

  1. Neutralität: Ein guter Moderator bleibt während der Retrospektive neutral und nimmt keine Partei ein. Er stellt sicher, dass alle Stimmen gehört werden und dass keine Meinungen oder Standpunkte dominiert werden.
  2. Kommunikationsfähigkeit: Ein Moderator sollte über ausgezeichnete kommunikative Fähigkeiten verfügen. Er sollte in der Lage sein, die Teilnehmer zu ermutigen, ihre Gedanken und Ideen offen zu teilen, und in der Lage sein, effektiv zuzuhören und Fragen zu stellen, um ein besseres Verständnis zu erlangen.
  3. Empathie: Ein guter Moderator hat Empathie für die Teilnehmer und ihre Erfahrungen. Er kann sich in ihre Lage versetzen und versteht, wie verschiedene Aspekte des Projekts oder der Zusammenarbeit ihre Gefühle und Sichtweisen beeinflusst haben könnten.
  4. Zeitmanagement: Eine Retrospektive ist oft auf eine begrenzte Zeitdauer festgelegt. Ein guter Moderator achtet darauf, dass die Diskussionen im Zeitrahmen bleiben und dass alle wichtigen Themen angesprochen werden können.
  5. Konfliktlösung: Konflikte können während einer Retrospektive auftreten, und ein guter Moderator ist in der Lage, diese Konflikte zu erkennen und einer Lösung zuzuführen. Er fördert einen konstruktiven Dialog und hilft den Teilnehmern, gemeinsame Lösungen zu finden.
  6. Facilitation-Techniken: Ein Moderator sollte über verschiedene Facilitation-Techniken verfügen, um die Retrospektive strukturiert und effektiv zu gestalten. Dazu gehören beispielsweise das Visualisieren von Informationen, das Verwenden von Gruppenübungen und das Durchführen von Abstimmungen.
  7. Ergebnisorientierung: Ein guter Moderator stellt sicher, dass die Retrospektive zu konkreten Ergebnissen führt. Er hilft den Teilnehmern, konkrete Maßnahmen und Verbesserungen abzuleiten und stellt sicher, dass diese dokumentiert und verfolgt werden.
  8. Flexibilität: Jede Retrospektive ist einzigartig, und ein guter Moderator passt seine Vorgehensweise an die spezifischen Bedürfnisse und Dynamiken des Teams an. Er ist flexibel und kann bei Bedarf den Verlauf der Retrospektive anpassen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein guter Moderator in einer Retrospektive über eine Mischung aus kommunikativen, zwischenmenschlichen und organisatorischen Fähigkeiten verfügen sollte. Er schafft eine positive und offene Atmosphäre, in der die Teilnehmer ehrlich ihre Meinungen äußern können, und unterstützt das Team dabei, konkrete Verbesserungen abzuleiten und umzusetzen.

Und besonders wichtig: Der Moderator / Scrum Master greift in der nächsten Retro auf, ob die geplanten Veränderungen aus der Phase 4 auch umgesetzt wurden und fördert einen Dialog darüber warum nicht oder stellt sicher, dass das Team sich selbst feiert, weil es die Dinge umgesetzt hat.

Also auch die Retrospektive ist

Easy to understand – hard to implement.  

Wenn aber regelmäßig und gut durchgeführt, ist es die Perle aller agilen Interventionen / Events. Besonders im Top-Management würde ich mir mehr davon wünschen.

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